Hier eine Auswahl von veröffentlichten Erzählungen von Angela Hoffmann
 

Ausschnitt aus „Unter dem Magnolienbaum“
veröffentlicht in „Schwestern der Erde“ hrsg. Dolt/Weltzien
Goldmann Taschenbuch Verlag :

„Von den Bäumen müsste man sprechen, nicht von den Menschen. Allein die Bäume müsste man beschreiben, die als erste im Frühjahr, Ende April, Anfang Mai, je nachdem, wie hart der Winter war, Knospe für Knospe zu blühen beginnen.

Wie oft war sie an den Magnolienbäumen vorbeigegangen, deren Äste derart ineinander gewachsen waren, daß sie sie lange für einen einzigen großen Baum hielt. Erst als nur noch vereinzelt große rosafarbene Blüten über den Blättern schwebten, später im Juni, entdeckte Maria eines Tages, daß es sich bei ihrem Lieblingsbaum um zwei Bäume handelte, deren Stämme etwa zweieinhalb Meter voneinander entfernt standen, deren Äste aber im Laufe der Jahre gemeinsam eine große, wunderschöne Krone gebildet hatten.

Sie war damals einfach vor dem Garten der Kanzlei stehen geblieben und nahm das Bild der Magnolien in sich auf. Es war, als ob sie sich an etwas erinnerte, an etwas, das sie nicht oder noch nicht aussprechen konnte, das ihr aber sehr vertraut war. Könnte sie malen, so würde sie sich Pastellfarben besorgen, die das Leichte, sich ununterbrochen erneut Entfaltende der Blüten wiedergäben. Mit den Fingerspitzen müsste man die Farbe auf dem Papier verreiben, mehr andeuten als zeigen.

„Ein Foto?“ hatte jemand gefragt, als sie dort ganz in Gedanken versunken stand. “Gehören Sie auch zu den Bewunderern der Tulpenmagnolienbäume ? Kommen Sie ruhig in den Garten, wenn Sie mögen. Wenn die Bäume in voller Blüte stehen, kommen jeden Tag einige Bewunderer von wer weiß woher, und ab und zu zückt einer eine Kamera.“

„Ein Foto trifft es aber nicht,“ sagte Maria. „Ich weiß auch nicht, aber ich bin gegen Fotos, jedenfalls hier. Natürlich habe ich auch eine Kamera, aber was ich fotografiere, scheint nie dem zu entsprechen, was ich in meiner Erinnerung sehe.“

„Da geht es uns ähnlich,“ sagte er. „Aber bei mir liegt es an mangelnder fototechnischer Begabung.“

„Glauben Sie ja nicht, daß ich die besitze,“ sagte Maria, die inzwischen in den Garten gekommen war.

„Ich bin Karl Dennecker,“ stellte er sich vor.

„Maria Wagner. Kurz bevor die Bäume zu blühen beginnen, richte ich es so ein, daß ich hier täglich mindestens einmal vorbeigehe. Blühen erst einmal die Magnolien, dann öffnen auch bald die Eiscafes und dann ist endgültig der Frühling da.“

„Mein Großvater hat diese beiden Bäume gepflanzt,“ sagte er.

„Wissen Sie, daß es über achtzig Arten von Magnolien gibt ? Aus Ostasien, dem Himalaya und aus Nord- und Mittelamerika. Der uns bekannte Name geht auf den französischen Botaniker Magnol zurück …“

„Siebzehntes Jahrhundert,“ sagte Maria, „wenn ich nicht irre. Aber besonders kenne ich mich in Botanik nicht aus; ich teile lediglich die Liebe Ihres Großvaters zu den Magnolienbäumen.“

„Wann immer ich konnte, büchste ich zu den Großeltern aus, die nur einige Straßenbahnstationen entfernt einen kleinen Schrebergarten hatten. Man könnte sagen, daß ich dort Luft holte. Es kommt mir vor, als ob ich ganze Tage in den Erdbeerbeeten verbracht hätte… übrigens habe ich nie wieder Erdbeeren gegessen, die derartig hervorragend schmeckten.“

„Meine Großmutter hat immer behauptet, es sei eine Sünde, Rosen zu beschneiden,“ erklärte Karl. „Und sie hatte die schönsten Rosenbüsche der Gegend. Da ich mich nicht entscheiden kann, ob ich nun im Winter oder im Frühjahr schneiden soll, lasse ich es ganz. Für beides gibt es nämlich gute Argumente …“

Aus Angela Hoffmann „Unter dem Magnolienbaum“ in „Schwestern der Erde“
Goldmann Taschenbuch Verlag, ISBN 3-442-42236-1
copyright Angela Hoffmann



Ausschnitt aus „Der goldene Drache“
veröffentlicht in „Sommerfestival – spannende und amüsante Geschichten“
Bastei Lübbe Verlag :

„Kleider können lächeln,“ behauptete Bea,“ man muß nur genau hinschauen, dann sieht man es.“ Ihre roten Haare leuchteten mit den sich verfärbenden Blättern des Kastanienbaumes um die Wette. Bea hatte generell etwas von einem Herbststurm, der sich eine kleine Weile ausruht, ehe er weiterstürmt, um der Abendsonne zuzuschauen, die eine rote Aura um jeden Baum malte.

Bea war das Kontinuum meines Lebens. Gleichgültig, daß ich Managerin des Jahres geworden war, und selbst alte Bekannte und Freundinnen mir eine Charakterhärte anzudichten begannen, die ich nie gehabt hatte und nie haben würde, gleichgültig, daß ich weiter expandierte und mein Jahresumsatz sich verdoppelte, zynisch von einem Geschäftskonkurrenten kommentiert mit : Glück im Geschäft, Pech in der Liebe; egal, was alles in meinem Geschäftsleben passierte, Bea blieb die alte und behandelte mich genauso wie damals, als wir die Handarbeitsstunde geschwänzt hatten und im Eiscafe Liebesgeschichten erfanden. Liebesgeschichten ! Puh ! Nichts davon war eingetroffen, Junge, Junge, konnte man hinterher immer nur sagen, wieder kein Prinz gewesen, schließlich hatten einen die Enttäuschungen wachgeküßt, und die Träume hatte man sich abgeschminkt………

Während meines Studiums der Betriebswissenschaft hatte ich in den Semesterferien auf Messen gearbeitet und dabei gelernt, was alles notwendig ist, um ein Unternehmen in kürzester Zeit optimal auf einer Ausstellung zu präsentieren. Mehr aus Spaß schrieb ich einmal auf, welche Dienstleistungen in welcher Reihenfolge benötigt wurden, von Standaufbau bis Übersetzung, von Warenpräsentation bis Getränkeservice. Aus meinen Notizen wurde ein Handbuch, aus dem Handbuch ein Computerprogramm und schließlich meine erste Firma für Büro- und Messeservice. Da es kostengünstiger war, ein Büro für einen begrenzten Zeitraum zu mieten, als ständig zu unterhalten, stieß meine Idee bei vielen Firmen auf positive Resonanz. Inzwischen war ich international tätig und reiste fast ununterbrochen. Mit jedem Auftrag wurde ich mit einer neuen Situation konfrontiert, die Spontaneität und Innovation erforderte. Im Studium kann man nicht lernen, wie man solche Situationen meistert, aber immerhin bekommt man vermittelt, was man wo nachschlagen kann. Letztlich ist jeder natürlich immer auf sich allein gestellt. Patentrezepte gibt es nicht. Ich konnte auf eine Art kreativen Impuls vertrauen, eine Art des ganz und gar unakademischen Denkens möchte ich behaupten. Konnte ich ein Problem absolut nicht lösen, entdeckte ich den Ausweg plötzlich in einer Blumenvase, genauer in der Art und Weise, in der die Blumen gesteckt waren … Eine Art des Lösungsfindens, die ich besser für mich behielt. Nur Bea kannte mein Geheimnis …“

Aus Angela Hoffmann, „Der goldene Drache“ in „Sommerfestival“
Bastei Lübbe ISBN 3-404-11729-8
copyright Angela Hoffmann und AVA – Autoren- und Verlagsagentur GmbH



Ausschnitt aus : „Die Frau im Regen“
veröffentlicht in „Knaurs Neues Lesefestival“

„Immer regnete es, wenn ich mich zu entscheiden hatte. Und so sehr ich den Regen liebe, ich hasse es, mich entscheiden zu müssen. Inzwischen kann ich eine lange Liste erstellen, wann und wo es wie aus Kannen gegossen und wie lange ich wo gewartet hatte, im Cafe, im Auto, zu Hause, nahe am Fenster sitzend oder allein, draußen, im Regen spazieren gehend. So sehr ich den Regen genoss, so sehr sich mir das Geräusch der prasselnden Tropfen einprägte und das Licht, das abends von den erleuchteten Fenstern auf die Straße fiel, immer brachte der Regen das Gefühl der Einsamkeit, gepaart mit der Ahnung, daß alles irgendwo, dem Menschen nicht ersichtlich, schon längst entschieden sei und daß sich die Menschen etwas vormachten, wenn sie glaubten, selbst entscheidende Weichen stellen zu können.

Fatalismus, reiner Fatalismus, würde Robert sagen, und da wir an diesem Punkt in der Diskussion nie weitergekommen waren, im Gegenteil, eher Streit ausbrach, hatte ich im Laufe der letzten Jahre mehr und mehr darauf verzichtet, Robert meine wirklichen Gedanken mitzuteilen. Unser Leben hatte sich eingespielt, wir hatten eine bestimmte Routine entwickelt, obwohl diese Entwicklung angesichts unserer beider äußerst aktiver und nervenaufreibender Berufsleben völlig absurd schien. Im Grunde führten wir so etwas wie eine reine Wochenend- ehe ……

Wir trafen uns ( damals noch ) jeden Tag nach der Arbeit und gingen essen und tanzen und einmal in die Oper. Ausgerechnet Madame Butterfly, sage ich mir heute, das ist es wieder, es gibt Hinweise, unmissverständliche, die man nur nicht ernst genug nimmt oder einfach links liegen lässt, nicht wahrnimmt. Wir leben in einer verdammt rationalen Welt, viel Kopf, wenig Bauch und kein Herz …“

Aus Angela Hoffmann „Die Frau im Regen“ in „Knaurs Neues Lesefestival“
Knaur Taschenbuchverlag
ISBN 3-426-03010-1
copyright Angela Hoffmann und AVA – Autoren- und Verlagsagentur GmbH

Die Texte sind urheberrechtlich geschützt. Nachdruck nur nach schriftlicher Genehmigung. copyright Angela
Hoffmann/AVA

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